Mittwoch, 12. Oktober 2016

Filmprojekt der Klasse 10b mit Inge Auerbach




Andere sind nicht anders sondern gleich– vom Lernen aus der Geschichte

Filmprojekt der Klasse 10b des Freihof-Gymnasiums Göppingen mit Inge Auerbacher, einer Überlebenden des Holocausts
Von Julia Weiler, Annalena Rösser, David Knödler, Jannik Smarsley und Johannes Graff


Die Klasse 10b hat sich sehr gefreut, die Möglichkeit zu haben einen Dokumentarfilm mit einer Überlebenden des Holocausts zu drehen. Inge Auerbacher kommt aus Anlass der Ausstellung über Anne Frank zur Eröffnung nach Göppingen. Ermöglicht wurde das Projekt durch die Stadt Göppingen mit Ulrike Haas, der Leiterin des Referates Kinder und Jugend sowie Harald Maas dem Schulsozialarbeiter unserer Schule. Uns interessiert was für heutige Schüler wichtig an einem Verbrechen ist, das vor über 70 Jahren stattfand – Die Deportation der jüdischen Mitbürger aus Göppingen in die Konzentrationslager. Mit der Hilfe von Gerhard Stahl, einem Filmproduzenten haben wir dazu eine Einführung zum Thema Film im Kreismedienzentrum Göppingen bekommen. Zusammen haben wir kleine Filme von uns gedreht und geschnitten, das hat uns sehr viel Spaß gemacht. Geholfen hat uns ein ehemaliger Schüler, Tim Winkler, der kurzfristig bereit war das Projekt als Assistent zu unterstützen. Es war eine Abwechslung zum normalen Unterricht und wir haben viel Neues gemacht.
Wir haben uns unter Anleitung unserer Geschichtslehrerin Marion Welz ausführlich über Inge Auerbacher informiert und Fragen für das Interview erarbeitet, die nicht so häufig gestellt werden und die uns besonders interessieren so z.B.: Welche Erwartungen haben Sie uns gegenüber?
Wir durften uns entscheiden welche Aufgabe wir bei dem Filmprojekt übernehmen, im Bereich der Technik als Kameramann/-frau, Tontechniker/-in und Cutter. Man konnte sich auch für das Produktionsteam oder das Redaktionsteam entscheiden. Dann haben wir uns überlegt wo gedreht wird, welche Fragen am jeweiligen Drehort gestellt werden und wie das Projekt insgesamt ablaufen soll. Als nächste Übung haben wir Interviews in der Fußgängerzone zu den Themen Holocaust, Anne Frank und Inge Auerbacher geführt. Bei manchen Interviews haben wir zur Straße gefilmt, sodass die vorbeifahrenden Autos zu sehen waren. Manche der Interviewten konnte man nicht erkennen, da wir gegen die Sonne gefilmt hatten. So merkten wir, dass man viel Übung braucht. Wir bekamen den Auftrag für den Eröffnungsvortrag in der Stadtkirche für Frau Auerbacher einen Sessel zu organisieren. Deswegen gingen wir zu „Höppel – die Idee“ in der Innenstadt und fanden dort einen passenden Sessel, den uns der Inhaber sogar in die Stadtkirche für die Veranstaltung liefert.
Zwei Drehorte standen am Mittwoch, den 5. Oktober 2016 auf dem Drehplan, eine Gruppe in Göppingen filmte verschiedene Stolpersteine in der Freihofstraße, der Burgstraße, am Backshop und am Synagogenplatz. Bei einem davon standen Mülleimer darauf, was zu einer Diskussion führte, ob dies ein angemessenes Gedenken ist. Uns kam es seltsam vor, dass sie am Boden verlegt sind, wo jeder einfach nur darüber läuft, ohne sie wirklich zu beachten. Eine andere Form des Gedenkens an die Deportationen befindet sich an der Schiller-Realschule, doch auch diese Tafel fällt einem nicht besonders auf.
Eine andere Gruppe fuhr unter der Leitung von Andreas Förschler auf den Spuren der Deportation der Göppinger Juden zum „Zeichen der Erinnerung“ an den Nordbahnhof in Stuttgart. Dort sind noch die Gleise in den Tod zu sehen. Eingerahmt durch eine Wand mit den Deportationsdaten, einer weiteren Wand mit allen Namen der über 2500 Deportierten und einer Informationswand mit Bildern, Texten und Gedichten. Die seit zehn Jahren bestehende Gedenkstätte stimmte uns sehr traurig, da so viele Menschen von hier aus in den Tod geschickt wurden. Uns überraschte, dass es so lange gedauert hat, bis eine angemessene Gedenkstätte entstehen konnte. Zuvor gab es in der Nähe nur eine kleine Gedenktafel an der Martinskirche, die aber auch erst 1991 angebracht wurde. An der Wand mit den Namen ist auch der von Inge Auerbacher und ihrer Familie vermerkt, die am 22.08.1942 nach Theresienstadt verschleppt wurden.

Unser Rückweg zur Straßenbahnhaltestelle führte uns über die israelitische Abteilung des Pragfriedhofs. Wir erfuhren welche Bedeutung die ewige Ruhestätte für die Juden hat. Für gläubige Juden ist es besonders schwer zu ertragen, dass die in den Vernichtungslagern umgebrachten diese nicht haben. Dort steht auch ein weiteres Denkmal zur Erinnerung an die ermordeten Juden Württembergs.
Nach weiteren Vorbereitungsarbeiten in der Schule gingen wir um 9.00 Uhr am Donnerstag in die Turnhalle der Schiller-Realschule zum ersten Treffen mit Inge Auerbacher. Sie machte sofort einen sympathischen und herzlichen Eindruck, wie sie die Turnhalle betrat. Sie war sichtlich bewegt, denn dies war der Ort an dem die Göppinger Juden vor den Deportationen sich einfinden mussten, bevor sie über den Zwischenstopp am Killesberg in die Konzentrations- und Vernichtungslager geschickt wurden. Nach den Aufnahmen in der Turnhalle ging es für einen Teil von uns für weitere Vorbereitungen zurück an die Schule, während Frau Auerbacher ein Gespräch mit Schülern der Schiller-Realschule hatte.
Sie kam dann im Anschluss zu uns an die Schule und berichtete in einem Vortrag vor unserer und einer 6. Klasse von ihrem Schicksal; besonders ergreifend war es, als sie vom Besuch in Riga erzählte, wo ihre Großmutter Betty Lauchheimer umgebracht worden war und sie sich vorstellte diese schaue jetzt auf sie herunter. In sehr persönlicher und lebendiger Art erzählte sie von ihrem Weg von Kippenheim nach Jebenhausen und vom Leben im Konzentrationslager. Vom Hunger, den Krankheiten und vom Tod, der sie in dieser Zeit umgab, aber auch von Freunden, dies sie in dieser schweren Zeit fand. Sie wies uns darauf hin, dass auf vielen Fotos der Deportationen Schaulustige zu sehen sind und meinte, dass diese Zuschauer sich auch schuldig gemacht hätten. Man dürfe bei Ungerechtigkeiten wie z.B. Mobbing nicht wegschauen, sondern müsse helfen.
Nach einer Pause konnte unsere Klasse endlich das Interview mit ihr führen, unsere Frage was sie von uns erwartet, hatte sie ja schon im Vortrag beantwortet und wiederholte es noch einmal: Die Courage sich gegen Vorurteile zu engagieren, gegen Fremdenfeindlichkeit in jeder Form. Denn auch wenn jemand eine andere Hautfarbe, Religion oder sexuelle Neigung habe, sei er nicht anders sondern gleich.. Ihr Engagement in allen Ländern der Erde begründetet sie damit, sie fühle sich den Kindern unter den 11 Millionen Opfern der NS-Dikatur gegenüber verantwortlich gerade uns Schülern zu berichten, damit wir aus der Geschichte lernen können.
Zum Abschied nahm sie einige aus der Klasse herzlich in die Arme und wir konnten persönliche Erinnerungsfotos machen, ein intensiver, anstrengender Schultag ging zu Ende, den wir nicht vergessen werden.